Im Škoda 633 allein durch die Sahara: Ein Abenteuer wird 90

Im Škoda 633 allein durch die Sahara: Ein Abenteuer wird 90
22. 2. 2023 Unternehmen

Eine Zeitreise zurück ins Jahr 1933. Ein 27-jähriger Tscheche hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Jiří Hanuš will auf sich allein gestellt eine 8.050 Kilometer lange Reise von der damaligen Tschechoslowakei in die senegalische Hauptstadt Dakar meistern. Sein einziger Begleiter bei dieser Herausforderung ist ein Škoda 633.

Diese Reise war nicht nur für Jiří Hanuš von großer Bedeutung, sondern auch für Škoda. Der Hersteller wollte mit dieser eindrucksvollen Solo-Expedition die Leistungsfähigkeit seiner Fahrzeuge unter Beweis stellen, das eigene Image steigern und den Folgen der Weltwirtschaftskrise durch zusätzliche Exporte entgegenwirken. Eine weitere Maßnahme von Škoda gegen die Folgen der Krise vorzugehen war es, die Produktionslinien zu verschlanken und neue, preisgünstige Modelle anzubieten.

Der 1,8-Liter Škoda 633.

 

Die Mittelklasse-Limousine 633 war ein solches Modell und erschien 1933 auf dem Markt. Ihr 1,8-Liter-Sechszylindermotor leistete 24,3 kW (33 PS). Mit seiner bewährten Konstruktion aus geripptem Fahrgestellrahmen, steifen Achsen und Seilzugbremsen war das neue Automobil wie gemacht für die schlechten europäischen Straßen. Aber würde der Škoda 633 auch die herausfordernde Sahara bezwingen können? Ein Erfolg, soviel war sicher, würde die Marke sowohl in der Heimat als auch in Nordafrika stärken, das schon vor dem Ersten Weltkrieg ein wichtiger Exportmarkt für Škoda war.

Waffen? Eine Startkurbel und ein Reifeneisen müssen reichen!

Beim 633 von Jiří Hanuš handelte es sich um ein Serienfahrzeug, genauer um die preiswerteste Variante der Baureihe mit einer geschlossenen zweitürigen ,Tudor‘-Karosserie. Das Auto kostete damals 45.500 tschechoslowakische Kronen (heute circa 1.920 Euro). Zum Vergleich: Der durchschnittliche Monatslohn in der Tschechoslowakei betrug seinerzeit weniger als achthundert Kronen, was dem Preis eines Herrenanzugs entsprach. Hanuš verzichtete für seine Marathon-Route auf breite, wüstentaugliche Niederdruckreifen und setzte stattdessen auf 18-Zoll-Standardreifen des einheimischen Herstellers Kudrnáč Everit. Wüstenkenner schüttelten nicht nur darüber den Kopf, sondern auch über die geschlossene Karosserie des 633, die nur eingeschränkte Belüftung ermöglichte. Auch dass der abenteuerlustige Tscheche ganz ohne Waffen auf die Reise ging, sorgte für Aufsehen. Stattdessen gehörten Startkurbel und ein Reifeneisen zum Bord-Equipment.

Eines der wenigen erhaltenen Fotos von Hanušs Škoda 633, aufgenommen während seines Wüstenabenteuers: Das Auto beim Verladen in der Hafenstadt Anfa, dem heutigen Casablanca.

 

Jiří Hanuš, übrigens der Sohn des damaligen Direktors des Maschinenbaukonzerns Škoda, begann seine lange Reise Richtung Afrika am 17. Februar 1933. Startpunkt an jenem eiskalten Freitag war das kleine Dorf Radlík, das etwa 25 Kilometer südlich des Prager Stadtzentrums liegt. Nach fünf Tagen und 1.454 zurückgelegten Kilometern erreichte der Abenteurer die südfranzösische Hafenstadt Marseille. Bis dahin hatte er den ganzen Weg über mit Schnee zu kämpfen. Am 24. Februar fuhren Hanuš und sein Škoda 633 erstmals in Algerien auf afrikanischen Boden.

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Für die 6.546 Kilometer lange Reise von der algerischen Hauptstadt Algier nach Dakar, der Hauptstadt des Senegal, stellte die „Trans-Saharan Company“ Jiří Hanuš eine spezielle Genehmigung aus. Sie garantierte ihm im Notfall auch die Entsendung eines Such- und Rettungsfahrzeugs – allerdings erst fünf Tage nach seiner geplanten Ankunft am jeweiligen Etappenziel.

Immer den Telegrafenmasten nach

An einem kühlen Morgen trat Hanuš mit seinem Škoda 633 von Algier aus die abenteuerliche Reise durch die französischen Kolonien an. Die Strecke führte zunächst über 442 Kilometer auf Asphalt nach Laghouat südlich des Atlas-Gebirges. Danach ging es auf Staubpisten weiter. Verfahren konnte sich Jiří Hanuš auf der Route nach Ghardaia, die auch durch die Wüste führte, nicht. Auf den 211 Kilometern nutzt er die Telegrafenmasten zur Orientierung. Unter diesen Bedingungen bedauerte der Wüstenfuchs nicht einmal den Verlust seines Kompasses. Viel mehr trauerte er seiner Kombizange nach, die ihm während der Überfahrt von Marseille nach Algier gestohlen worden war. Der 33-PS-Motor seines Škoda brachte den Pionier aus der fernen Tschechoslowakei zuverlässig voran – selbst mitten durch einen Heuschreckenschwarm. Nur ein Nagel im Reifen stoppte sein Vorankommen vor einem Hotel in der algerischen Oasenstadt Ghardaia kurzzeitig – die erste von lediglich zwei Reifenpannen auf der gesamten Strecke. Hanuš flickte den Schlauch, schlief ein wenig und informierte das nächste Etappenziel per Telegramm über seine Weiterfahrt.

Ein altes Werbeplakat des eleganten Mittelklassewagens von Škoda.

 

Jetzt wurde es ungemütlich: Das holprige Gelände rüttelte den Škoda 633 ordentlich durch. Schnell stellte Hanuš fest, dass es viel einfacher war, mit durchgedrücktem Gaspedal über die Hügelkämme mit ihren stacheligen Dornenbüschen zu fahren als mit geringem Tempo. In der südalgerischen Oase El Golea füllte er Benzin und Wasser in fest verschweißten Kanistern nach, um anschließend das „elastische Gelände“ unter die Räder zu nehmen. So bezeichnete der Wüstenfahrer das Terrain, auf dem die Räder seines 633 mehr rutschten als rollten. Die Folge: Auch wenn der Tacho 70 km/h anzeigte, fuhr das das Auto kaum 50 km/h. Streckenweise musste sich Hanuš mit angezogener Handbremse langsam durch die eintönige Landschaft zum Etappenziel Reggane, einer Stadt in der algerischen Provinz Adrar, quälen. Und das so ganz ohne nützliche Orientierungspunkte.

Von Frostschutzmittel und Halluzinationen

Erst hier begann die Sahara. Auf Hanuš und seinen Škoda 633 warteten 1.100 entmutigende Kilometer mit nur einer Versorgungsstation auf halbem Weg nach Tabankort (Mali). Viele Wüstenreisende hatten auf dieser Strecke ihr Leben gelassen, weil sie in ihrer Verzweiflung den letzten Tropfen Wasser aus dem Kühler ihres Autos getrunken hatten. Häufig blieb Hanuš im tiefen Sand stecken. Aber mit Hilfe von zwei Brettern aus einem alten Fass konnte er seinen festgefahrenen 633 aber immer wieder aus dem Sand befreien. Auf diese Weise ersparte er es sich, für eine größere Auflagefläche Luft aus den Reifen lassen zu müssen. Auch das Wiederaufpumpen der Reifen mit einer Handpumpe war nicht nötig – besonders im Hinblick auf die brütende Hitze ein Glücksfall.

Nachdem der Škoda Pilot sein Auto am Zwischenstopp Tabankort gründlich inspiziert, das Fahrwerk geschmiert und die Bremseinstellung angepasst hatte, machte er sich mit einem Vorrat von 173 Litern Benzin, 25 Liter normalem Wasser, drei Liter Mineralwasser und 15 Liter Öl auf den schwierigsten Abschnitt seines Abenteuers. Um den Wagen nicht zu überladen, führte er 52 Liter weniger Wasser mit als eigentlich vorgeschrieben. Dabei wusste Hanuš, dass er das Wasser aus dem Kühler seines Autos selbst in einem Notfall nicht hätte trinken können. Denn dieses war mit Frostschutzmittel vermischt, um die Verdunstung zu reduzieren.

Das Interieur des Škoda 633 war zeittypisch schlicht, aber durchaus funktional.

 

Die Hitze und Müdigkeit führten bald zu Halluzinationen am Steuer. Hanuš sah die Fata Morgana eines Waldes und Irrlichter, die durch die Luft schwebten. „Das Gelände dort ist furchtbar. Der tiefe Sand ist mit bis zu 30 Zentimeter hohen grasbewachsenen Hügeln übersäht. Das Gras selbst reicht oft bis zum Kühler und die vertrockneten Grashalme fliegen auf die Windschutzscheibe. Im Schein der Scheinwerfer entsteht so ein faszinierender Anblick wie bei explodierenden Wunderkerzen", erinnerte sich Hanuš später. Auf diesem Teil des Weges begleitete ihn Bakik, ein afrikanischer Führer. Am Steuer konnte dieser ihn aber nicht abwechseln, denn Bakik konnte nicht Auto fahren. Trotz aller Strapazen erreichte das Duo schließlich die sudanesische Grenze.

Auf der Weiterfahrt zur Siedlung Gao in Französisch-Westafrika ging es oft nur im ersten Gang voran, um Fahrwerk und Karosserie beim Manövrieren zwischen Baumstümpfen hindurch zu schonen. Schließlich hatte der Serien-633 nur eine Bodenfreiheit von 180 Millimetern. Da war im wahrsten Sinne der Worte nicht viel Platz nach oben. Aller Wirrungen zum Trotz blickte Jiří Hanuš sehr zufrieden auf den bisherigen Verlauf seines Abenteuers zurück. Immerhin benötigte er mit seinem Škoda 633 für die 1.300 Kilometer lange Strecke von Reggane nach Gao nicht die damals üblichen drei, sondern nur zwei Tage.

Cover des Buches „Crossing the Sahara in a Škoda 633“, das Hanuš nach seiner Rückkehr aus Afrika schrieb.

Der Weg nach Dakar

Nachdem er Bakik abgesetzt hatte, führte ihn die Route den Niger entlang nach Niamey. Unterwegs traf er auf Gazellen, Warzenschweine und Schlangen. Immer wieder musste er seinen Škoda 633 aus tiefem Sand befreien. Eine Tagesetappe später lenkte der junge Ingenieur sein Auto über Ouagadougou in Obervolta und Bobo-Dioulasso (Burkina Faso) nach Bamako im heutigen Mali. Auf seinem Weg in die Hauptstadt der damaligen französischen Kolonie Sudan durchquerte Hanuš auch ein Gebiet, in dem ein Steppenbrand wütete. Wegen der enormen Hitze schloss er die Fenster seines Autos und beobachtete ängstlich die Funken in der Luft, weil er mehrere hundert Liter Benzin an Bord hatte. Erschöpft und dehydriert erreichte er den nächsten Zielort Niamey. Obwohl er viel Limonade und Wasser getrunken hatte, fiel er auf dem Weg zu seinem Hotelzimmer dreimal kurzzeitig in Ohnmacht.

Nachdem er sich zwei Tage lang erholt und sein Auto gründlich gewartet hatte, startete Hanuš zur letzten Etappe seiner Wüstenfahrt über Kayes (Mali) nach Dakar. Dort wütete zu dieser Zeit das Gelbfieber. „Man erzählte mir, dass dreißig von hundert Europäern an der Krankheit sterben würden“, erinnerte sich Hanuš später. „Der Hotelier Ferrari hatte zehn Anfälle dieses Fiebers überlebt. Solche Leute wurden als Fakire (Zauberer) gefeiert.“

Werbeanzeigen des Škoda 633 betonten seine Schnelligkeit und Eleganz, aber auch seine Erschwinglichkeit.

 

Hanuš hatte Glück und blieb vom Fieber verschont. Nach seiner abenteuerlichen Fahrt konnte er die salzige Luft des Atlantiks einatmen und stolz Bilanz ziehen: Er und der Škoda 633 hatten in fünfzehn Etappen 6.546 Kilometer quer durch Afrika zurückgelegt hat und ihr ehrgeiziges Ziel erreicht. Sein beeindruckender Tagesdurchschnitt lag bei 436,6 Kilometern – sein Rekord betrug 727 Kilometer an einem Tag.

Vier Tage nach Zielankunft trat Hanuš per Schiff die Rückreise von Dakar über Gibraltar zurück nach Marseille an. Beim Entladen beschädigten unvorsichtige Hafenarbeiter die linke Vorderradaufhängung des Škoda 633, aber Jiří Hanuš verschob die Reparatur bis zu seiner Heimkehr. Am 17. März 1933 traf der Abenteurer glücklich in Radlík ein. Auf seiner einmonatigen Reise hatten er und sein Auto 9.716 Kilometer zurückgelegt und der Škoda 633 durchschnittlich 13,75 Liter Spiritus-Benzin pro 100 Kilometer verbraucht.

Ein Wegbereiter

In den verbleibenden sechs Jahren bis zum Zweiten Weltkrieg folgten eine Reihe weiterer Expeditionen mit verschiedenen Škoda Modellen dem Beispiel von Jiří Hanuš. Das Ehepaar Škulin bereiste von 1936 bis 1938 mit einem 1,4-Liter-Rapid Afrika und legte dabei rund 52.000 Kilometer zurück. Solch unerschrockenen Entdeckern ist es zu verdanken, dass sich Škoda 1936 als größter tschechischer Automobilhersteller und -exporteur auf dem Kontinent etablierte und diese Position bis heute beibehalten hat. Ein halbes Jahrhundert später konnten sich auch erprobte Rallye-Piloten mit speziell modifizierten Rallye-Fahrzeugen davon überzeugen, wie hart die Strecke war, die der Škoda 633 zurückgelegt hatte. Von 1979 bis 1994 entsprach die Strecke der weltberühmten Rallye Paris-Dakar in etwa der von Jiří Hanuš gefahrenen Route.

 

Moderne Abenteuer und beeindruckende Rekorde

Auch heute lässt Škoda die Abenteuerlust regelmäßig aufleben: Erst im Januar 2023 stellte der Automobilhersteller mit dem Enyaq RS iV einen neuen GUINNESS WORLD RECORD™-Titel für den ‚Längsten ununterbrochenen Drift eines Fahrzeugs auf Eis‘ auf. Knapp ein halbes Jahr zuvor startete die Schweizer Velo-Fahrerin Monika Sattler im August 2022 zu einer spannenden Challenge: Als erster Mensch überquerte sie begleitet vom Škoda Enyaq iV 124 Schweizer Pässe innerhalb von 30 Tagen. Seine Qualitäten hatte der vollelektrische Enyaq iV auch schon bei dem anspruchsvollsten Radrennen der Welt unter Beweis gestellt: Bei 40 Grad Celsius begleitete er die Fahrer und Fahrerinnen bei der Škoda Titan Desert Marokko.